Kukuli verbrennt

Vom Sterben der Carola Neher in Sol-Ilezk
Schaustück in 52 Bildausschnitten

/2014

©

Nach Aufzeichnungen der NKWD-Inspektorin
Ewgenja Semjonowna Krikyna
Sommer 1942

in Teilen publiziert von
Wladimir Krikyn
1990

Umschlagbild (Ausschnitt):
„die Dichterin“ von Günter Ludwig

 

Das Stück liegt als Textheft vor

Umschlag, Kukuli verbrennt

INHALT:

Juni 1942 in Sol-Ilezk an der kasachischen Nordostgrenze: Im uralten Gefängnis „Schwarzer Delfin“, in Zelle 2, sind 40 Sträflinge, Frauen, unter unsäglichen Bedingungen zusammengepfercht. Seit Monaten warten sie auf den Weitertransport in sibirische Arbeitslager.
Verhaftet wurden die meisten während der großen Säuberung 1937, angeklagt in willkürlichen Schauprozessen als gegenrevolutionäre Volksschädlinge und verurteilt nach dem Artikel 58 des StGB.
Die Frauen sind halb verhungert und völlig verwahrlost. Immer wieder werden sie zu demütigenden Vernehmungen abgeholt. Je nach Laune werden sie geschlagen und in Strafzellen gesperrt. Die Erniedrigung der Sträflinge dient angeblich dazu, die Verurteilten zu den Neuen Menschen des Sozialismus zu formen.
Unter den Sträflingen ist die deutsche Schauspielerin Carola Neher, die in den 20er-Jahren triumphale Erfolge auf deutschen Bühnen feierte und die 1933 mit ihrem kommunistischen Mann vor den NS-Faschisten in die Sowjetunion emigrierte, den Versprechen auf eine bessere Welt folgend. Sie ist, nach fünf Jahren Haft, völlig entmutigt.
Die Frauen bekämpfen sich oder trösten sich gegenseitig. Eine Beauftragte des NKWD will mit ihnen in kulturerzieherischer Absicht ein Theaterstück einstudieren: über Larissa Reißner, eine Ikone der frühen Revolutionsjahre. Carola Neher soll die Larissa darstellen.
Es ist ihre letzte Rolle. Eine ausbrechende Typhusepidemie unterbricht die Theaterarbeit. Carola Neher fällt der Krankheit zum Opfer.

Bilddecoration Carola Neher Bilddecoration

TEXTAUSZUG:

Bildausschnitt 24

 

Vernehmungsraum des Leutnants, er sitzt am Schreibtisch, zwei Uniformierte beschäftigen sich mit dem Sträfling.
Uniformierter ( Knüppel in der Hand, beugt sich über den Sträfling. )
Der hat genug.
Leutnant Schafft ihn mir aus den Augen.
Uniformierte ( zerren den Sträfling hoch, der schreit und knickt ein, ist ohnmächtig. )
Uniformierter 1 Die Beine sind gebrochen.
Leutnant

Auf die Krankenstation mit ihm. Soll der Arzt ihn zusammenflicken.
Wir brauchen ihn noch. Er hat das Abschlussprotokoll noch nicht unterschrieben. Der hat genug.

( ... )

Fuss