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Erstaufführung
18. November 1999
Ein Stück in drei Teilen
80 Beteiligte
Das Stück existiert als Darstellerausgabe
und ist abgedruckt in der „Festschrift“
Goetheschule (Barsinghausen, Mai 2000),
S. 106-166
18.9.1823 Der geheime Rat Goethe, inzwischen 74 Jahre alt, hat sich in Marienbad unsterblich in Ulrike von Levetzow (19 Jahre) verliebt. Sie gibt ihm einen Korb. Und Goethe trauert unendlich und arbeitet an einem seinem Leiden würdigen Trauergedicht.
In dieser Situation erhält er Besuch von der Geheimpolizei des Deutschen Bundes.
Der Theaterautor und Publikumsfavorit August von Kotzebue wurde kurz vorher von einem Studenten erstochen, der Kotzebue für einen russischen Spion gehalten hat. Das Attentat bewirkt die Karlsbader Beschlüsse, die eine umfassende „Demagogen“-Verfolgung einleiten. Metternich steckt dahinter.
Die eifrige Geheimpolizei verdächtigt nun auch Goethe, das Volk landesverräterisch aufzuwiegeln und versucht ihm das mit Hilfe des eigenen Werkes zu beweisen, vom „Götz“, über „Prometheus“ und „Werther“ und „Reineke Fuchs“ und „Iphigenie“ bis zum „Wilhelm Meister“ etc. Überall lassen sich aufrührerische Elemente finden.
Den alten Goethe lassen die Vorwürfe der „verbeamteten Semmelköpfe“ kalt, er hat anderes im Sinn, nämlich sich seinem Leiden über die missglückte Werbung hinzugeben. Er möchte endlich an seiner „Marienbader Elegie“ weiterarbeiten. Die Geheimpolizisten ziehen erfolglos ab.
Geheimpolizist auf Treppe, blättert und notiert in Akten. Neben ihm zwei Assistenten, kleine Abziehbilder des großen. Tragen Akten. | |
Geheimpolizist | Weimar, 18. September 1823, acht Uhr des Abends. Eingetroffen beim Wirklichen Geheimen Rat von Goethe. Unangemeldete Visitation. Goethe sitzt, schreibt. Ach, Ulrike seufzt er und liest aus dem Geschriebenen: „Wenn Liebe je den Liebenden begeistet, ward (Folie Porträt Ulrike von Levetzow) es an mir aufs lieblichste geleistet; und zwar durch sie! - Wie lag ein innres Bangen auf Geist und Körper, unwillkommner Schwere: Von Schauerbildern rings der Blick umfangen im wüsten Raum beklommner Herzensleere; nun dämmert Hoffnung von bekannter Schwelle, sie selbst erscheint in milder Sonnenhelle.“ |
Geheimpolizist | klopft |
Goethe | Wer stört? |
Geheimpolizist | stellt sich vor Verzeiht mein Eindringen, Exzellenz, ich komme in allerhöchstem Auftrag. Geheimpolizei des Deutschen Bundes. |
Goethe | Ich verbitte mir unangemeldeten Besuch. Will klingeln. Geheimpolizist unterbindet das. |
Geheimpolizist | Exzellenz, ich bin voll Ehrfurcht vor Eurem Ruhm und bin keinesfalls glücklich über meine Aufgabe. Hinwiederum … die Interessen des Bundes ... |
Goethe | Ich verstehe nicht. Welche Interessen gibt es hier außer den meinigen? |
Geheimpolizist | Die Sicherheit. Die Ordnung. In Eurem Fall aber sind es diejenigen, so sehe ich es, jeden Makel von Eurem Ruf zu nehmen. |
Goethe | „Makel“ sagen Sie. Wer erfrecht sich? |
Geheimpolizist | murmelt zu Assistenten, dann: Bitte, Harry, notieren: Verdächtigte Person zeigt sich höchstderoselbst empört. |
Goethe | starrt ihn an, fährt sich über Augen ( ... ) |
Auf den Spuren des Großdichters
KGS-Lehrer spielen ErGötzliches und BeSinnliches des Dichters Johann Wolfgang von Goethe
Barsinghausen (ker). „Für mich persönlich ist Goethe ein menschlich genialer Literat. Er ist tatsächlich faszinierend.“ Roland Schreyer, Lehrer der KGS-Goetheschule, wollte seinen Kollegen die Berührungsangst und Scheu vor dem Namenspatron der Schule ein wenig nehmen.
Und der bekannte Stückeschreiber Roland Schreyer wäre nicht er selbst, wenn er dieses Vorhaben nicht mit einem Theaterstück verbinden würde. „Mehr Licht – auf den Spuren des Großdichters Goethe, ErGoetzliches und BeSinnliches“ heißt seine persönliche Auseinandersetzung mit dem Ausnahmedichter.
( … )
„Mehr Licht in die verbeamteten Semmelköpfe“
Von Treeske Honemann
Um es gleich vorwegzunehmen: was da an drei Spielorten innerhalb der Schule zum Teil stilvoll im Kerzenschein aufgeführt wurde, kann sich mehr als nur sehen lassen. Der lang anhaltende Applaus am Ende war durchaus gerechtfertigt. Das Stück hat sicher den einen oder anderen Besucher angeregt, mal wieder ein Werk von Goethe zu lesen. Die Handlung ist schnell erzählt. Der geheime Rat, immerhin schon 74 Jahre alt, hat sich in eine 19-Jährige verliebt. Doch Ulrike von Levetzow erwidert die Zuneigung nicht. Während der Dichter sein Schicksal wortreich beklagt, wird er von Geheimpolizisten des Deutschen Bundes gestört.
Hier setzt Schreyer an, beginnt eine fiktive Geschichte zu erzählen. Man wirft Goethe demagogische Staatszerrüttung und landesverräterische Aufwiegelei vor. Belege für die Beschuldigung entdecken Metternichs Gehilfen in dessen Werken. „Reineke Fuchs“ bezeichnen sie als demagogisches Glanzstück, in dem Beamte als gewissenlos gegeißelt werden. „Die Wahlverwandtschaften“ gefährden die bürgerliche Ordnung. Die Gedichte im „West-östlichen Divan“ sind angeblich brandgefährlich. Und der „Götz von Berlichingen“ ruft zum Umsturz auf.
Das Stück zeigte kurze Ausschnitte aus Goethes Werken ( … ).
Die Zuschauer hatten jedenfalls großes Vergnügen an dem Theater, schließlich wollte Schreyer auch die Berührungsangst vor dem großen Dichter nehmen.
Und Goethe? Ihn ließen die Vorwürfe kalt, er schimpfte auf die verbeamteten „Semmelköpfe“ und wünschte sich mehr Licht in die Köpfe der Menschen. Als „dummes Zeug“ titulierte er am Ende die Verfügung, jede Neuveröffentlichung erst genehmigen zu lassen. Aber da hörte der Alte schon gar nicht mehr richtig hin. Der Stoßseufzer „Ach, was ich leide“ galt einzig seiner Liebe Ulrike von Levetzow.
Man kann nur hoffen, dass die Schule ihre Absicht revidiert, „Mehr Licht“ nur einmal aufzuführen. Das wäre wirklich schade,
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